Die Kunst des Nichtstuns
Erinnerst du dich noch an die Werbung aus den 80-ern? Man reichte sich eine Knusperschnitte und machte erstmal Pause. Einfach so. Ohne offensichtlichen Grund, oder doch? Weil es halb zehn war, weil man so ‘ne Knusperschnitte nicht einfach so gedankenlos in sich rein futtert. Ja, warum eigentlich? Braucht es immer einen Grund für eine Pause?
Was ist denn mit unserer guten, alten Pause passiert ist. Es gibt sie noch. Bei unseren Kindern in der Schule und natürlich im Handwerk. Da muss man sie nicht lange suchen. Gerade erst auf der Baustelle erschienen, ruft schon die Frühstückspause, direkt gefolgt von der Mittagspause, der Kaffeepause und dann ist auch schon Feierabend. Was für ein Leben denkt sich da so mach einer.
Pausen - dafür hab' ich keine Zeit
Für jemanden wie mich, der einen Großteil seiner Zeit in Werbe- und Digitalagenturen verbracht hat, wo die durchschnittliche Sprechgeschwindigkeit der Mitarbeiter ungefähr das doppelte Tempo eines „Normalos“ hat, völlig undenkbar. Pause machen? Warum? Die Zeit fehlt mir doch dann später. So dachte ich lange Zeit.
Aber ist das wirklich so? Studien belegen ja sogar, dass die optimale Lern-/Konzentrationsphase zwischen 20 und 40 Minuten liegt und nachlässt, wenn man nicht regelmäßig Pausen macht. Die Empfehlung lautet sogar mind. 5 Minuten pro voller Stunde.
Hast du das mal probiert? Puh, das ist schon harter Tobak. Das heißt an einem regulären Arbeitstag acht – ich schreibe es nochmal als Zahl, damit es deutlich wird – 8 Pausen! Wenn man keine Überstunden macht. Tse, wo kommen wir denn da hin?
Schon immer wurden die Raucher argwöhnisch missachtet, wenn sie quasi auch noch mit Grund Pause machen. So mancher überlegte schon, das Rauchen zu beginnen um sich endlich in diese wohlverdiente Qualm Area mit dazugesellen zu können.
Nun, Rauchen mag kein wirklich guter Grund sein, um sich endlich eine wohlverdiente Pause zu gönnen. Aber braucht es denn nun einen Grund? Und warum?
Andere Länder andere Sitten
Vor kurzem erst, im Zuge unseres Hausbaus, amüsierte ich mich köstlich, als der offensichtlich afrikanische Mitarbeiter sich mittags erstmal unter einen Baum in den Schatten legte, sich die Mütze über‘s Gesicht zog und seine schimpfenden Kollegen erstmal komplett ausblendete und sich von dem ganzen Stress des Nichtstuns erstmal zu erholen. Erst fand ich das unmöglich. Dann zollte ich dem guten Mann meinen tiefsten Respekt.
Oder während meines Praktikums bei einer großen Hotelkette in Portugal, wo ich als Assistenz des General Managers natürlich 15 Minuten vor der Zeit, tip top vorbereitet, alles auf Wiedervorlage, kopfschüttelnd und mitleidig lächelnd deutlich gemacht bekam, dass ich doch mal das schöne Wetter genießen solle. Mal ne Runde an den Beach gehen. Der Manager mache gerade Pause. Morgens um halb zehn in Portugal. Da schließt sich wohl der Kreis.
Leute ich sag‘ Euch, das ist mit der german Pünktlichkeit, „schaffe, schaffe, Häusle baue“ und „Zeit ist Geld“ wirklich nicht zu vereinbaren. Damals fand ich auch das obendrein noch respektlos, irritierend und einfach total daneben. Heute sehe ich das mit ganz anderen Augen.
Wieso fällt es uns so schwer zur Ruhe zu kommen?
Kennst du das? Du willst mal bewusst nichts machen und ertappst dich dabei wie du doch wieder das Handy in der Hand hast. Die Küche aufräumst, die Wäsche wäschst oder sonst irgendwas tust. Hast du mal versucht nichts – wirklich nichts - zu tun? Gar nichts?
Ich habe das mal versucht und es hat mir körperliche Schmerzen bereitet. Wirklich. OK, das war zu einer Zeit, in der ich mir selbst wirklich sehr fern war. Ich konnte mit mir eigentlich nichts anfangen, außer zu funktionieren, mir und anderen Aufgaben zu suchen, zu delegieren, zu tun. Kein Getränk, kein Handy, keine Beschäftigung. Das geht doch nicht. Undenkbar.
Doch. Es ging. Aber es war ein Weg den Affen zu zähmen.
Und ich sage dir von Herzen: Es lohnt sich. Denn auf der anderen Seite des Wegs wartet ein Zugang zum eigenen Selbst, zu Inspiration, zu Ideen, aber auch um neue Energie zu tanken. Es lohnt sich, weil wir uns nur in der Stille, nur im Nichtstun wieder mit uns verbinden können. Wir haben die Möglichkeit, mal wieder in uns hinein zu hören. Wir können mal wieder unseren Gedanken folgen anstatt ständig von Einem zum Nächsten zu hüpfen. Im Yoga sprechen wir vom ‚Monkey Mind‘. Die Gedanken sind in dieser Metapher der Affe der von Ast zu Ast also von Gedanken zu Gedanke springt. Ich glaube ich brauche das nicht weiter zu erklären. Du weißt nur zu gut wovon ich spreche.
Wir haben gelernt die Stille zu vermeiden um diesen sprunghaften Gedanken und dieser Unruhe, die es mit sich bringt, dem Aushalten dessen, aus dem Weg zu gehen. Vermeidung ist unsere Strategie, die langfristig aber nicht aufgeht. Ablenkung, schön beschäftigt bleiben, damit die Ruhe nicht so laut wird.
Hier ist mein Plädoyer
Erlaub‘ Dir das Nichtstun. Erlaub‘ dir mal die Stille. Erlaub‘ dir mal mit dir und deinen Gedanken zu sei. Ohne Ziel. Ohne tiefergehende Absicht. Einfach mal nur so. Vielleicht mit einer Meditation, vielleicht bei einem Spaziergang bei dem du dich einfach mal hinsetzt und nichts tust. Mal eine Pause machst. Einfach so.
Ich möchte eine Lanze brechen. Eine Lanze für die Pause. Eine Lanze für das Nichtstun und eine Lanze für die kleinen süßen Äffchen, die auch das Recht haben mit nem geschmeidigen Banänchen mal eine Pause zu machen. Morgens, halb zehn in Deutschland oder wann und wo auch immer.
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