Man hört ja immer mal wieder Therapeuten hätten die Therapie eigentlich am Nötigsten bzw. sollten selbst mal in Therapie bevor sie auf Menschen losgelassen werden. Kann ich das bestätigen? Ich weiß es nicht. Sicherlich gibt es auch hier – wie überall - gravierende Unterschiede.
Wenn man sich die Ausbildungen aber anschaut, würde dem ein oder anderen sicherlich mehr Selbsterfahrung und -reflektion nicht schaden. Nach meinen Recherchen kommt der Aspekt der Selbsterfahrung
in vielen Ausbildungen leider zu kurz.
"Machen Sie das zur Selbsttherapie?"
Ich erinnere mich an ein Bewerbungsgespräch für einen Job als freiberufliche Dozentin an einem Osteopathie College. Der dortige Leiter fragte mich am Ende des Gesprächs, nachdem ich ihm mein Konzept präsentiert hatte, mit dem ich die Studenten zukünftig beglücken wollte, eine ungewöhnlich direkte Frage. Er fragte, warum ich das alles mache. Und ob das für mich eine Selbsttherapie sei.
Wow. Spannende Frage. Und herausragend schlau dazu. Ich war im ersten Moment geneigt direkt mit einem „Nein, natürlich nicht“ zu antworten gab mir dann aber doch noch einen bewussten Atemzug Zeit, darüber noch mal nachzudenken.
Meine Antwort war folgendermaßen: „Wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, ist doch das ganze Leben ein Versuch Resilienz aufzubauen. Erlebtes, das uns belastet zu verarbeiten, und Wege zu finden um ein glückliches entspanntes Leben zu führen, oder?“.
Wie siehst Du das? Bist du in einem Heil- oder helfenden Beruf tätig? Bist du dir bewusst darüber, dass es auch ein Stück weit Therapie ist anderen Menschen zu helfen, um sich selbst zu helfen? Gestehst Du dir das ein? Findest du das provokant?
Und ja, für mich ist es definitiv Therapie. Heilsames bei mir ankommen. Stück für Stück. Nachdem ich Jahre und Jahrzehnte damit verbracht habe, einfach nur zu funktionieren. Ziemlich Sinn entleert. Hustlen und permanent im Dauerstress. Konditioniert nach den Prinzipien der Leistungsgesellschaft, der Wirtschaftlichkeit und Effektivität. Wenn ich daran denke, zieht sich in meinem Körper alles zusammen. Das Ergebnis war übrigens ein Burnout, der mir erst sehr schmerzhaft gezeigt hat, worum es wirklich geht. Ich habe die Chance erkannt und für mich wahrgenommen.
Jetzt darf ich wieder ein bisschen verlernen. Denn genau darum geht es doch in der individuellen Persönlichkeitsentwicklung. Die alten Muster und Korsetts, die man sich über die Zeit zugelegt hat langsam wieder zu lösen. Zu verlernen. Altes loszulassen.
Ich komme gerade aus meiner abgeschlossenen Ausbildung zum PsYoCo - Psychologischen Yogacoach®. Ich halte es für elementar wichtig nicht ein- sondern mehrdimensional und interdisziplinär zu lernen und zu erfahren. Und genau das ist der Punkt. Wenn es eine gute Ausbildung ist, dann basiert sie in erster Linie auf Selbsterfahrung, selbst zu spüren was man anderen Menschen zukünftig zu Teil werden lässt. Selbst zu erleben, was es mit einem macht. Sich selbst wieder ein Stückchen näher zu kommen und gestärkt daraus hervorzutreten. Nur so kann sich Resilienz gesund aufbauen.
Menschen zu begleiten ist eine vertrauensvolle Aufgabe und ich halte es für überaus wichtig, vorher bei sich selbst aufgeräumt zu haben, bevor man diese Verantwortung professionell annehmen kann. Sonst ist die Reflektion zu stark. Kannst Du das nachempfinden?
Ich liebe was ich tue! Ich liebe es, mich mit der menschlichen Psyche, dem menschlichen Körper und Geist und den Zusammenhängen zu beschäftigen. Ich liebe es andere Menschen zu begleiten, ihre Entwicklung zu beobachten, mich daran zu erfreuen wie sie erblühen. Neue Wege für sich suchen und finden. Und ja ich mache das vielleicht auch ein Stück zur Selbsttherapie. Und ich liebe es!
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